Illegaler Müll türmt sich auf
FPN, 12.05.2015
Weniger Müll auf der Straße
FWB, 24.03.2015
Den Aufklebern in der Stadt geht es an den Leim
FPN, 29.07.2014
Kampf den Aufklebern
FR, 29.07.2014
Aufkleber sollen verschwinden
FPN, 11.04.2014
Denkzettel für Gassigeher
FNP, 18.05.2013
Frankfurter Firmen und Vereine erhalten Zertifikat für Engagement für Zivilcourage
Geschäftsstelle des Präventionsrates (Referat 33), 10.05.2013
Viele Sterne für Zivilcourage
FNP, 03.05.2013
Viele Sterne für Zivilcourage
PIA, 03.05.2013
ffmtipptopp erhält Zertifikat für die Förderung des Gedankens der Zivilcourage
Intranet Werkstatt Frankfurt, 10.05.2013
Moral gegen Müll
FR, 15.01.2013
2. Oberräder Präventionstag
www.frankfurt.de, 05.06.2012
Die Ratten sind fort
FR, 14.04.2012
Frankfurt am Main – Putztag in Fechenheim
www.hessen-tageblatt.com, 19.03.2012
Steuern für Soldaten und Bufdis?
RTL Hessen, 07.03.2012
Menschen, auf Dauer aussortiert
FR, 12.01.2012
Müllsammler mit Studium - Herr Tautorat fängt neu an
FAZ, 01.06.2011
Projekten für Langzeitarbeitslose droht das Aus
Journal Frankfurt, 23.05.2011
Unterwegs mit dem Saubermann
FNP, 18.09.2010
Werkstatt Frankfurt: Im Dienst der Arbeitslosen
FR, 05.09.2009
Neue Perspektiven
FR, 27.08.2009
Werkstatt Frankfurt feiert
FR, 27.08.2009
So gründlich putzen die Profis
FNP, 25.07.2009
Wieder ein richtig gutes Gefühl
FR, 19.06.2009
So wird es im Ort tipptopp sauber
FNP, 15.01.2009
Stadtteilhelfer sehen
nahezu jede Müll-Ecke
FR 01.05.2008
Viel los bei Ortsdienern
FR, 15.04.2008
So sieht die Leipziger Straße wieder tipptopp aus
FNP, 19.03.2008
Wilde Plakate kosten uns 200.000 Euro!
BILD, 15.02.2008
Zwei Männer räumen auf
FR, 07.11.2007, Seite F18
Schnelle Hilfe gegen wilden Müll in Fechenheim
FR, 17.02.2007
Ortsdiener für Harheim
FNP, 17.02.2007
Ortsdiener bringen die Stadtteile auf Vordermann
FAZ, 13.01.2007
Die Gelbjacken räumen auf
FNP, 13.01.2007
Müll gibt’s immer wieder
WELT KOMPAKT,
11.01.2007, Seite 27
Das Gesprächsthema
OSKAR, 2006, Seite 4 - 5
Müllsammler mit Studium - Herr Tautorat fängt neu an
Kurz-Link: www.faz.net/-01wfpr
Von Friederike Haupt, Frankfurt
Ein Mann macht Abitur, studiert, wird Bibliothekar. Dann verliert er alles. Heute sammelt er Müll – und kauft von seinem Hartz-IV-Geld alte Bücher. Die Geschichte von einem, der nicht aufgibt.
01. Juni 2011. Manchmal tut Herr Tautorat Dinge, die andere Menschen komisch finden. Neulich, als er wie jeden Tag Müll sammelte in Rödelheim, wollte ihm einer eine Flasche Whiskey schenken, ein Nachbar war das, der sich über die dank Herrn Tautorat saubere Straße freute. Doch Herr Tautorat lehnte zur Verwunderung des Mannes ab, er trinkt nicht, und er ärgerte sich fast ein bisschen. Weil die Menschen denken, dass jeder Hartz-IV-Empfänger sich über Alkohol freut. Herr Tautorat hätte sich über ein antiquarisches Buch gefreut. Er wird bald – noch etwas, das mancher komisch finden könnte – sein Bett aus seiner Einzimmerwohnung schmeißen, um mehr Platz für Bücherregale zu haben. Ein Klappbett muss dann reichen. Herr Tautorat hat gelernt, sich mit wenig zu begnügen. Nur die Bücher müssen sein.
Wolfgang-Volker Tautorat ist 61 Jahre alt und ein großer, stämmiger Mann mit offenem Lächeln und leicht gebeugtem Gang – der kommt vom Müllsammeln, immer auf den Boden gucken, immer bücken. Und Herr Tautorat wird bald wieder einmal neu anfangen. Das ist, könnte man sagen, seine Spezialität. Schon oft war es so, dass Herr Tautorat etwas wollte, das Leben aber etwas anderes, und so musste er neu planen. Seine Träume vergessen, seine Ziele neu stecken, die Hoffnung nicht aufgeben. In drei Wochen wird Herr Tautorat seine Arbeit als Müllsammler beenden müssen, obwohl er sie sehr gern macht. Er ist Ein-Euro-Jobber, 7,50 Euro am Tag. Weil die Bundesregierung aber ein Drittel dieser Arbeitsgelegenheiten gestrichen hat für Menschen, die älter als 58 Jahre sind, muss Herr Tautorat aufhören. Mal wieder.
Er mag die Arbeit, sagt er
Herr Tautorat hat kein Telefon. Wenn man seine Geschichte hören will, muss man ihn in Rödelheim treffen, auf der Straße, bei der Arbeit. Jeden Montag um 8.30 Uhr beginnt er am Rewe-Markt seinen Rundgang durch Alt-Rödelheim, dann über die Nidda und zurück. Jeden Tag einen anderen Weg durch Rödelheim, aber jede Woche die gleiche Reihenfolge der Rundgänge, seit Jahren schon. Herr Tautorat trägt dann eine neongelbe Arbeitsjacke über dem Hemd, in den Händen hält er einen Müllsack und einen Picker. Mit dem greift er den Abfall, aber weil das Gerät so alt ist, greift es nicht mehr so gut und Herr Tautorat muss sehr fest drücken, weshalb der Arzt ihm neulich einen Tennisarm bescheinigte. Bei diesem Wort muss Herr Tautorat lächeln, es passt nicht so recht in seine Welt.
Diese Welt, in der man vor dem Rewe-Markt nicht die glänzenden Äpfel, sondern die weggeworfenen Werbeprospekte auf dem Boden sieht; in der man nicht selbst trinkt, sondern Schnapsfläschchen hinter Stromkästen hervorzieht; und in der man vor dem Italiener nicht die Speisekarte studiert, sondern fettige Pizzakartons aufsammelt – das ist Herrn Tautorats Arbeitswelt. Trotzdem mag er die Arbeit, sagt er. Die frische Luft, das Gefühl, nützlich zu sein, der vorweisbare Erfolg, die Sauberkeit. Und die Menschen. Herr Tautorat kennt viele, und viele kennen ihn in Rödelheim. Ein bärtiger Mann mit Sakko und Stoffbeutel, Typ Lehrer, grüßt an diesem Morgen den Müllsammler, der grüßt mit Namen zurück. Bald bekomme er wieder neue, fügt er noch hinzu. Der Bärtige versteht, lächelt. Neue Bücher, meint Herr Tautorat.
Der Bruch: das große Latinum
Bücher sind seine Leidenschaft und die Konstante in seinem Leben, in dem es keine Familie mehr gibt, keinen festen Arbeitsplatz, keine großen Wünsche. Herr Tautorat war einmal Bibliothekar in Mainz. Doch schon seit vielen Jahren ist Schluss damit. Eine traurige Geschichte sei das, sagt Herr Tautorat, wenn er in seinem Zimmer im Nordend steht und die vielen alten Bände in den billigen Baumarktregalen betrachtet. Deswegen umgebe er sich hier mit seinen Büchern und habe seine Ruhe. Von Mobbing erzählt er in den wenigen Sätzen, in denen er überhaupt davon spricht, was geschah. Nie wieder fand er in den Beruf zurück. Dieser Beruf, der auch einer von Herrn Tautorats Neuanfängen gewesen war.
Lehrer hatte er werden wollen. Er machte Abitur, 1969, studierte Germanistik und Politikwissenschaft. Die Universität Mainz wählte er, der aus Alzey in Rheinhessen stammt und auf Robert von Alzey verweist, den aus dem Nibelungenlied, wenn von der Heimat die Rede ist. Doch dann habe es einen bösen Bruch gegeben in seinem Leben, sagt Herr Tautorat: Er schaffte das Große Latinum nicht. Da konnte er Germanistik nicht fertig studieren, wurde stattdessen Bibliothekar. Noch heute freut er sich, wenn er ein Wörterbuch oder einen fleckigen Roman auf dem Sperrmüll findet. Zur Arbeit nimmt er immer einen Stoffbeutel mit, für den Fall, dass er unterwegs ein Buch retten kann, so wie einmal, als er „Garibaldi“ von Ricarda Huch fand. Die Bücher, sagt Herr Tautorat, ließen ihn nie im Stich.
Herr Tautorat ist frei, jedenfalls zwischen seinen Büchern
Deswegen war es umso schlimmer, als er arbeitslos wurde und dann aus Geldnot seine private Büchersammlung verkaufen musste. Herr Tautorat pflegte dann noch drei Jahre seinen schwerkranken Vater, bis der starb und der Sohn sich neu bewerben konnte. Aber als Bibliothekar fand er nichts, er sei ja auch schon alt gewesen, sagt er. 2005 dann wurde er Müllsammler. Jeden Morgen um acht Uhr meldet er sich im Büro von „ffmtipptopp“, der Arbeitsgelegenheit der Werkstatt Frankfurt, für die er in Rödelheim unterwegs ist. So wissen sie, dass Herr Tautorat nicht krank ist oder schwänzt. Daran denkt der aber auch gar nicht, denn ohne Arbeit gibt es auch kein Extrageld. Und das braucht er für Bücher.
Vor einigen Jahren hat er damit begonnen, sich eine neue Büchersammlung aufzubauen. Für 200 Euro, mehr als ein Monatsgehalt als Müllsammler, hat er sich im Trödelladen Leipold Meyers Konversations-Lexikon gekauft – früher hat er die gleiche Ausgabe schon einmal besessen. Die neue habe einem Professor gehört, sagt Herr Tautorat stolz und schlägt das Vorwort auf, um zu zeigen, wie schön die Ausgabe ist. Bildung macht frei, steht dort. Diesen Satz liest er immer mal wieder, nach der Arbeit und am Wochenende, er macht das Gefühl erträglicher, Müllsammler zu sein und nicht mehr Bibliothekar. Herr Tautorat ist frei, jedenfalls zwischen seinen Büchern, von denen er sagt, dass jedes einzelne von ihnen gerne bei ihm stehe, denn keines sei da ohne Grund, jedes sei wichtig. Die alte Frakturschrift sei für ihn kein Problem, sagt Herr Tautorat und lächelt. Die lese er wie andere die „Bild“-Zeitung.
Die alten Geschichten sind ihm ein Trost
So wie er auf den Rödelheimer Straßen den Müll sammelt, geduldig, freundlich, interessiert an den Menschen, die ihm begegnen und den Geschichten, die sie erzählen, so sammelt Herr Tautorat auch seine Bücher. Sorgfältig hat er sie genau auf Kante gestellt, das müsse sein, und oft staubt er sie ab. Wunderbare alte Herren seien in früheren Jahrhunderten tagelang nicht vom Tisch aufgestanden, wenn sie an einem Lexikonartikel geschrieben hätten, sagt Herr Tautorat bewundernd. Nicht, dass er selbst gern so ein Leben führen wollte. Aber die alten Einbände mit ihren Lederprägungen, der Goldschnitt, die Zeichnungen zum Ausklappen, die alten Geschichten sind ihm ein Trost. Die zweite Büchersammlung ist sein Neuanfang nach der schlimmsten Zeit.
Wie es nun bald wird, wenn er nicht mehr Müllsammler ist, weiß Herr Tautorat noch nicht. Er wusste es zu schätzen, dass die Arbeit seinen Tagen Struktur gab: das frühe Aufstehen, die Rundwege durch Rödelheim, das erste Essen des Tages – immer vegetarisch – danach, der Blick durch die Scheibe des Buchladens „Büchergarten“ an der Lorscher Straße, wo man ihn kennt. Wenn einmal im Monat das Geld kommt, lässt er sich gleich wieder alte Bücher bestellen. Ohne das Extrageld, das die Arbeit bringt, werden es wohl bald weniger. Dass er nochmal einen richtigen Arbeitsplatz bekommt, jetzt, mit 61, bezweifelt Herr Tautorat.
Als er, den Müllsack in der Hand, auf der Niddabrücke eine Kollegin trifft und ihr von seinem Ende als Müllsammler erzählt, schweigt sie betreten. Herr Tautorat aber wirkt nicht verzweifelt. Es wird eben wieder ein Neuanfang.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Linda Dreisen
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